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Umweltskandal: Benzinfahrzeuge können nicht mehr auf Autogas umgerüstet werden


Jahrelang sangen die Verbände, die Sachverständigenorganisationen und letztlich auch der Gesetzgeber das Hohelied auf die UN-Regelung ECE R 115. Sie regelt die rechtliche Behandlung von Autogasanlagen, die auf dem Wege der Um- bzw. Nachrüstung in bereits in Verkehr gebrachte Fahrzeuge eingebaut wurden. Deutschland setzte diese Regelung als erstes Land um, auch wenn es viel Kritik aus der Praxis gab. Obwohl langfristig angekündigt, hat man seitens der zuständigen Kommission aber offensichtlich vergessen, dass auf die Abgasnorm Euro 5 zwangsläufig Euro 6 folgt und der jahrelang angekündigte Wechsel der Abgasmessung vom NEFZ auf WLTP und RDE bevorsteht. Das klingt ungefähr so, als würde man immer wieder aufs Neue von Weihnachten überrascht.

 

Autogas emittiert in Verbrennungsprozessen ca. 15 % weniger CO2 als Benzin. Geht man von einem 20%igen Mehrverbrauch wegen der etwas geringeren Energiedichte aus, bleibt eine Einsparung von ca. 13 % unter dem Strich übrig. Bedarf es da noch solch aufwendiger Messungen? (Foto: Redaktion)

 

Die Folgen sind für die Autogasbranche allerdings deutlich gravierender als ein ausgefallenes Weihnachtsfest. Hier geht es um die Existenz der Importeure, Umrüster und letztlich auch der Gasversorger. Insbesondere Letztere haben aus eigenen Mitteln und ohne jedwede Förderung mehr als 7000 Gastankstellen errichtet und damit eine real existierende Infrastruktur geschaffen, mit der sich der Schadstoffausstoß in Deutschland sehr schnell und stark reduzieren ließe.
Fakt aber ist: Fahrzeuge mit der Abgaseinstufung Euro 6d-TEMP können nicht mehr auf Autogas umgerüstet werden, weil die Abgasmessung der R 115 auf die R 49 beziehungsweise die R 83 verweist. In den beiden letztgenannten Vorschriften kommt der geforderte Prüfzyklus, also WLTP und RDE, gar nicht vor.

 

Arbeitskreis soll Abilfe schaffen

Die Folge: Hunderte von Anfragen nach einer Autogasumrüstung können nicht bedient werden, da es vonseiten der Verantwortlichen schlichtweg „verschlafen“ wurde, die rechtlichen Voraussetzungen für eine Genehmigung zu schaffen. Was tun die Verbände, das Verkehrsministerium oder das Umweltministerium, um endlich Ordnung in die Angelegenheit zu bringen? Der VdTÜV ist – wenn auch viel zu spät – auf die vom Grundsatz her gar nicht so schlechte Idee gekommen, „eine Empfehlung einer Prüfanforderung zu erarbeiten, die … mit dem Verordnungsgeber abgestimmt werden soll.“ Die Sache hat nur einen Haken: Sachverständigenorganisationen sind letztlich Wirtschaftsunternehmen, die neben Staudämmen und Brustimplantaten eben auch Autogasanlagen prüfen und dem Grundsatz der Gewinnmaximierung unterliegen. Für sie scheint die Regelungslücke ein willkommener Anlass zu sein, die eigenen Kassen weiter zu füllen. Deshalb werden neue, kostenintensive Abgastests ab Euro 6c gefordert, und zwar ein Test pro Fahrzeugfamilie. Fast alle Hersteller haben die Euro-6-Tests über sich ergehen lassen und werden jetzt, um es im Klartext zu sagen, ein zweites Mal zur Kasse gebeten. Nutznießer: Einzig und allein die Sachverständigenorganisationen. Die Zeche zahlt der Verbraucher.

 

Gewinnmaximierung oder Verbrauchernutzen?

Dass es auch anders geht, sieht man in Italien. Dort hat man die Schwächen der UN ECE R 115 frühzeitig erkannt und auf nationale Regelungen gesetzt, bei denen weiterhin der NEFZ als Grundlage für die Abgasmessungen gilt. Was ja auch logisch ist: Autogas verbrennt rein physikalisch im Schnitt mit zehn bis 13 % weniger CO2. Egal ob auf dem Rollenprüfstand oder im Straßenverkehr unter RDE-Bedingungen – der prozentuale Anteil CO2-Ausstoß bleibt immer gleich. Der reale Verbrauch und damit die Abgasemissionen sind weiterhin abhängig von den Werten im Benzinbetrieb. Wo bleibt vor diesem Hintergrund die EU-weite Gleichbehandlung? Warum wird nicht verhindert, dass sich einige wenige auf Kosten der umweltbewussten Autofahrer die Kassen füllen? Ein Machtwort vom Verkehrs- und vom Umweltministerium wäre wohl am ehesten geeignet, diesem Treiben ein Ende zu bereiten. In Italien scheint das zu funktionieren. Dort werben auch im Jahr 2019 noch Unternehmen für Autogas und Autogasantriebe, sogar mit aufwendigen TV-Spots.

 


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