Propan in der Raumfahrt: Ready for takeoff
Premiere im norwegischen Andøya Space Center: Am 30. März startete erstmals eine orbitale Trägerrakete vom kontinentalen Europa aus in Richtung Erdumlaufbahn. Nach 30 Sekunden Flugzeit war der als Test angekündigte Jungfernflug bereits beendet. Dennoch wertete Hersteller Isar Aerospace die Mission „Going full Spectrum“ als vollen Erfolg. Der (einkalkulierte) Absturz lieferte eine Menge wichtiger Daten und Erkenntnisse, die in die Optimierung der nächsten Rakete einfließen werden.
Die Anspannung bei allen Beteiligten war riesengroß. Bereits mehrere Male hatte man den Start der „Spectrum“ wegen schwieriger Witterungsbedingungen verschoben. Am 30. März um 12:30 Uhr klappte es dann. Per Live-Übertragung konnte die interessierte Öffentlichkeit mitverfolgen, wie die Rakete der Isar Aerospace SE abhob, nach 10 Sekunden anfing zu taumeln, übersteuerte und schließlich ihre Flugbahn verließ. Kurz darauf ein Knall: Spectrum war ins Meer gestürzt und explodiert.
Ein Absturz bei einem Erstflug ist nichts Ungewöhnliches. Die Entwickler hatten sogar damit gerechnet. Erklärtes Ziel des Testflugs war es, so viele Daten und Erfahrungen wie möglich zu sammeln. Zufrieden resümierte Daniel Metzler, CEO der Isar Aerospace: „Wir hatten einen sauberen Start, 30 Sekunden Flugzeit und konnten sogar unser Flight Validation System aktivieren.“
Jetzt ist es an seinem Team, die gewonnenen Daten auszuwerten, zu interpretieren und die aufgetretenen Fehler zu eliminieren. Die Verbesserungen können relativ schnell umgesetzt werden: Isar Aerospace, ein Spin-Off der TU München, stellt über 90% der benötigten Teile Inhouse her. Noch geschieht das in Ottobrunn bei München, es steht aber bald ein Umzug an. In diesem Jahr wird mit dem Neubau erweiterter Produktionsstätten in Vaterstetten (Landkreis Ebersberg) begonnen.
Spectrum 2 befindet sich – ebenso wie Spectrum 3 – bereits in Produktion. Der nächste Start wird also voraussichtlich nicht allzu lange auf sich warten lassen – zumal die Rampe in Andøya unversehrt geblieben ist.
Mit einer Länge von 28 m und einem Durchmesser von 2 m gehört die „Spectrum“ zu den sogenannten Microlaunchern. Abhängig davon, welchen Orbit sie ansteuert, kann sie bis zu 1.000 kg Nutzlast befördern. Laut Plan soll die Trägerrakete bereits beim zweiten Flug Payload aufnehmen. Insgesamt will Isar Aerospace bis zu 40 kleine und mittelgroße Satelliten jährlich in den Orbit bringen.
Die Nachfrage ist groß. Geosynchrone Satelliten für Kommunikationszwecke, militärische Aufklärung, Spionage und andere bildgebende Anwendungen kreisen in der niedrigen Erdumlaufbahn (LEO – Low Earth Orbit) in 200 – 2000 km Höhe. Die Höchstladung für Flüge in den Sonnensynchronorbit (SSO) beträgt 700 kg. Dieser ist – wegen der konstanten Ortszeit des Überfluges – vor allem für Satelliten interessant, die Vergleichsbilder über einen längeren Zeitraum hinweg liefern – für Wetter- und Klimadaten oder zur Beobachtung von Naturkatastrophen.
Angesichts der derzeitigen politischen Lage hat Europa ein gesteigertes Interesse daran, sich aus bisherigen Abhängigkeiten zu lösen und sich den Zugang zum All vom europäischen Festland aus zu sichern. Das spiegelt sich auch in der finanziellen Unterstützung von Isar Aerospace wider. Bisher konnte sich das Start-up über 400 Mio. € Kapital sichern. Zu den Investoren – darunter mehrere Risikokapitalgeber, Airbus Ventures und die Porsche Holding – gehört auch der Nato Innovation Fund.
Von der Unternehmensgründung bis zum ersten Testflug hat die Isar Aerospace nur 7 Jahre gebraucht. Zwischen Testergebnissen, der Analyse und den Anpassungen bis zur Prüfung eines neuen Testartikels liegen nicht mehr als 4 Wochen. Hochgeschwindigkeits-Iteration ist das Zauberwort hierfür. Entscheidend sind drei Faktoren:
- Eigene Testeinrichtungen ermöglichen schnelle Prüfungen in einer sicheren Umgebung und höchste Flexibilität.
- Durch die eigene Produktion mit einem hohen Automatisierungsgrad wird ein Höchstmaß an Effizienz und Schnelligkeit bei den Wiederholungen erreicht.
- Die Nutzung von Spitzentechnologien – wie die additive Fertigung, bei der die Schlüsselelemente des selbst entwickelten Motors aus Hochleistungsmetallen im 3D-Druckverfahren hergestellt werden – ermöglichen eine hohe Designflexibilität und eine Reduzierung der Teile bei kürzesten Vorlaufzeiten.
Propan für den Antrieb
Die Entwicklung des Triebwerks folgt einem dreistufigen Ansatz, bestehend aus der Entwicklung von Teilsystemen, integrierten Systemtests und abschließend der Produktion von Fluggeräten.
Neun „Aquila“-Triebwerke die in zwei Stufen zünden, sind das Kernstück der Spectrum. Die vollständig im eigenen Haus entwickelten und hergestellten Gasgenerator-Zyklusmotoren werden mit kryogenem Flüssigsauerstoff und Propan betrieben. Diese bieten den höchsten dichtespezifischen Impuls aller kohlenstoffbasierten Treibstoffe – daher die Leistungsfähigkeit von Spectrum. Und die Umweltverträglichkeit (siehe dazu auch FLÜSSIGGAS 1/2025, S.20 f).
Angetrieben werden die Aquila-Motoren auch von ebenfalls vollständig im Haus entwickelten Turbopumpen, die den Abgasdruck der Gasgeneratoren effizient in Rotationsenergie umwandelt. Die angeschlossenen Pumpen versorgen die Brennkammer mit Hochdrucktreibstoff. Mit mehreren zehntausend Umdrehungen pro Minute läuft die Turbopumpenbaugruppe noch effizienter, als ursprünglich vorhergesagt.
Die Zeichen stehen also gut, dass es in näherer Zukunft eine propanbetriebene europäische Rakete in die Erdumlaufbahn schafft.