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ECE R 115: Ist Autogas endlich ein Thema für die Politik?


CDU-Politiker Volkmar Vogel informierte sich beim Zavoli-Generalimporteur Stefan Fellmann über die Probleme der Branche und will helfen.

 

Manchmal fehlt es nur an der richtigen Information: MdB Volkmar Vogel konnte viel Wissenswertes für seine Regierungsarbeit mitnehmen. (Foto: CDU)

Autogas hat in Triptis Tradition – Stefan Fellmann ist seit Jahrzehnten in der Branche tätig und kennt als Generalimporteur die Probleme bestens. (Foto: Redaktion)

Aufmerksam lässt sich MdB Volkmar Vogel (links) von Stefan Fellmann die Problemstellungen erklären, die sich aktuell in der Autogasbranche auftun. Fellmann erläutert, mit welch einfachen Mitteln sich erhebliche Mengen CO2 einsparen ließen, wenn der Gesetz- bzw. Verordungsgeber nicht unnötige Hürden aufbaute. (Foto: CDU)

Autogas-Lösungen – vom PKW bis zum Transporter – haben allesamt eines gemeinsam: Sie reduzieren CO2, wie es die Regierung fordert. Warum landet solch eine Technologie dann auf dem Abstellgleis? (Foto: Redaktion)

 

Der Thüringer CDU-Politiker Volkmar Vogel, MdB, war zu Gast beim Zavoli-Generalimporteur Stefan Fellmann in Triptis, um sich über die Situa­tion der Autogasbranche im All­gemeinen, deren möglichen Beitrag zur Klimawende ­sowie die allgegenwärtigen Probleme mit der Gesetzgebung beim Einbau von Autogasanlagen im Besonderen zu informieren. Was er zu hören ­bekam, dürfte ihm kaum gefallen haben: ­Obwohl mit ­Autogas betriebene Fahrzeuge zwischen 12 und 20 % weniger CO2 aus­­stoßen als mit herkömmlichem Benzin betriebene Fahrzeuge und ca. 8000 (laut DVFG 7100) Auto­gas-Tankstellen in Deutschland eigen­finanziert ohne jegliche staat­liche Zuschüsse eine ausreichende Tank­infrastruktur bereitstellen, wird den Autogasanlagen-Importeuren und den zahlreichen angeschlossenen Werkstätten quasi die Existenz-Grund­lage entzogen, indem man die gesetz­geberischen Hürden für die Zulassung neuer Fahrzeuge (Euro 6, WLTP) so hoch setzt, dass es wirtschaftlich kaum noch sinnvoll erscheint, das kostenintensive Genehmigungs­verfahren zu durchlaufen.

Maßgeblich beteiligt an diesem umweltpolitischen Skandal sind die Prüf­organisationen, die wohl eher bestrebt sind, die eigenen Taschen zu füllen als tatsächlich einen Beitrag zur CO2-Reduzierung in Deutschland zu leisten. Doch selbst wenn die immer noch nicht in die R 115 eingeführte Möglichkeit, nach WLTP homologierte Fahrzeuge zu prüfen, endlich vorliegt, ist das Problem längst noch nicht gelöst. Die Kosten für das Genehmigungsverfahren sind derart hoch, dass es für zahlreiche Fahrzeugtypen wirtschaftlich nicht mehr vertretbar sein dürfte. Die Folge: Durch die Politik bzw. deren verlängerten Arm in Form der Prüforganisationen wird nicht nur die Möglichkeit vertan, sofort CO2 nachhaltig einzusparen, sondern massenweise Kapital vernichtet. Die LPG-Tankstellen-Infrastruktur wird sinken, die Summe der Strafzahlungen wegen Grenzwert-Überschreitungen langfristig steigen. Ob das im Sinne aller Steuerzahler ein richtiges Verhalten darstellt?

Stefan Fellmann machte „nur der Ordnung halber“ seinem Ärger in einem Schreiben an MdB Volkmar Vogel nach dessen Besuch in Triptis Luft und hofft, dass es auf fruchtbaren Boden fällt. Es schildert die Situation der Beteiligten an der Wertschöpfungskette Autogas so treffend, dass es an dieser Stelle einer breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht werden soll. Und natürlich werden wir auch der – hoffentlich ausführlichen – Antwort mit konkreten, kurzfristigen Lösungsvorschlägen hier entsprechenden Platz einräumen bzw. notfalls noch einmal redaktionell daran erinnern.

 

Schreiben an MdB Volkmar Vogel (im Wortlaut):
  1. Die ECE R 115 wird vom „Hersteller“ der Gasanlage geliefert, dessen Firmensitz sich im Ausland befindet. Der nationale Importeur möchte bzw. muss sie erweitern und lässt einen Abgastest durchführen, kann aber selbst die R 115 der Herstellers nicht erweitern, da dieser gar kein Interesse hat, denn er verfügt durch nationale Regelungen über eine generelle Genehmigung im Markt. Gültig ist diese generelle Genehmigung in Ländern wie Tschechien, Italien, Slowakei, Litauen, Rumänien, Griechenland oder Türkei (siehe Anhang). Der deutsche Sonderweg schränkt die Nutzung von umweltfreundlichem Autogas in Deutschland unnötig ein und lässt sich nicht mit den Klimazielen der Bundesregierung vereinbaren.
  2. a. Warum adaptiert man nicht praxisbewährte Regelungen aus Ländern, die zum Teil eine wesentlich stärkere Verbreitung von LPG-Fahrzeugen aufweisen? (u. a. Republik Italien)
    b. In den vorgenannten Ländern existieren handfeste Gründe, aus denen man von der ECE R 115 abgerückt ist. Wenn man schon auf europäischer Ebene einheitliche Regelungen anstrebt, stellt sich die Frage, warum Erfahrungen in diese deutsche Regelung nicht einfließen.
    c. Ist jemals aus betriebswirtschaftlicher Sicht ein Kosten-Nutzen-Vergleich angestellt worden, der sowohl die ­finanzielle Situation der Importeure als auch die Kosten für die CO2- und Feinstaub-Vermeidung berücksichtigt? Wenn ja, mit welchen Ergebnissen?   
  3. Die Inhaltsliste der enthaltenen Fahrzeuge in der R 115 ist oft nur mangelhaft, da viele Fahrzeuge nicht enthalten sind. Entweder wurden sie erst nach dem Typgenehmigungszeitpunkt genehmigt oder es handelt sich schlichtweg in dem Land der Erstellung um ein nicht existentes Modell. Solche Sachverhalte werden in Deutschland nicht berücksichtigt.
  4. Zurzeit sind sämtliche Abgas­labore in Deutschland (Diesel-Abgasskandal und WLTP-Prüfungen) völlig überlastet, Importeure von Gasanlagen können keine zeitnahen Termine auf Prüfständen in Deutschland bekommen, ein Umstand, der seit ca. 8 Monaten eventuell beabsichtigte Prüfungen unmöglich macht. Ebenfalls ist durch fehlende Abläufe kein rechts­sicherer Umgang mit der Euro 6 WLTP für Autogasnachrüstungen vorgegeben, da diese Abgasnorm nicht in der ECE R 115 behandelt wird. Seitens der Importeure und Hersteller wird seit 2018 auf eine Lösung vom KBA gewartet, wie mit dem Thema umgegangen werden soll. Die Republik Italien und das Königreich der Niederlande haben, trotz fehlender Rechtskraft, bereits Typgenehmigungen ECE R 115 für WLTP Fahrzeugen genehmigt, die aber aufgrund der Rechtsunsicherheit nicht in Deutschland verwendet werden können. Hiermit entsteht durch die Verschleppung der Bundes­republik Deutschland ein Ungleichgewicht gegenüber den seriösen Herstellern bzw. Importeuren.
  5. Aus unserer Sicht handelt es sich generell im Moment um eine Kleinserie von Autogasanlagen, weil in den letzten Jahren weit weniger als 1000 Umrüstkits pro Hersteller und Jahr (z. B. für alle Modelle von Zavoli, BRC oder GFi) verkauft werden. Der Aufwand, für eine reihenweise Produktion eine R 115 zu erstellen, ist doch aus o. g. Gründen schlichtweg zu hoch, als dass sich das kostenaufwendige Genehmigungsverfahren  rechnen könnte. Ist nicht die Ausnahme in Form der so genannten Abgasbestätigung doch legal, da es sich seit Jahren nicht um eine reihenweise Fertigung handelt?
  6. Es gibt keine rechtssichere Verfahrensweise, z. B. bei „Euro 3 u. D4”. Dabei handelt es sich um typgenehmigte Fahrzeuge, aber ECE R 83 hat keine Gültigkeit, da es sich um eine rein nationale Abgasnorm handelt. Für diese Fahrzeuge wird seitens der Bündelungsbehörde in Hessen aber rechtswidrigerweise eine ECE R 115 Typgenehmigung gefordert.
  7. Die Überwachung der Einbauten findet ausschließlich durch den Einbauer selbst in Form der GSP statt, somit sehen wir eine sehr freie Interpretation der Einbaupläne des Herstellers.
    Wie wollen Sie unsere R 115 wirkungsvoll gegen sogenannte Parallelimporte oder den zu erwartenden Missbrauch schützen? Im Moment werden die Daten deutscher Typgenehmigungen vollständig in dem Portal „ARGE TP21“ abgelegt und von dort aus durch Prüfer an dritte Personen gegeben, die dann damit den Inhaber der Typgenehmigung umgehen.  
  8. Teilweise werden die R 115-Dokumente durch die Zulassungsstellen nicht anerkannt. Begründung: es könne sich um Fälschungen handeln (Zulassungskreis EE – Bündelungsbehörde Hessen). Wie wollen sie garantieren, dass solche vielleicht auch professioneller gefälschten Papiere nicht in Umlauf geraten?
  9. Das aktuelle Merkblatt VdTüV 750 wurde im Vorfeld ohne jegliche Praxis­orientierung erarbeitet, was die fehlende Mitwirkung der Hersteller und Importeure zeigt. Wäre es nicht für alle Beteilig­ten sinnvoller, das Merkblatt weiterhin auszusetzen, um eine Regelung gemeinsam zu erarbeiten, die den Belangen der Importeure, Umrüster und den klima­politischen Anforderungen Rechnung trägt? Nach gut zehn Jahren wären sechs weitere Monate aus der Sicht der Beteilig­ten durchaus akzeptabel.
  10. Bei einer Vielzahl von existierenden Importfahrzeugen (diverse Dodge Ram 5,7 – Ford Mustang 3,6 - 5,0) ist es aufgrund der fehlenden EU Bauartzulassung nicht möglich, diese in eine R 115 zu integrieren. Wenn das „VdTüV 750“ voll­umfänglich umgesetzt werden soll, brauchen wir die Integration dieser Fahrzeuge in die R 115, um kostenneutraler zu arbeiten. All diese Fahrzeuge (garantiert ca. 6000 pro Jahr) finden einen Weg mit einer „Ausnahmegenehmigung“ in die EU (teilweise ohne Abgaseinstufung – SN 35ZZ 36ZZ)! Oder auch anders: Warum kann ein Fahrzeug in Deutschland als „Kleinserie“ ohne Airbag und fehlendem Fußgängerschutz trotzdem zugelassen werden? Spielen Menschenleben und Unfallstatistiken keine Rolle mehr, nur wenn es um das Wort Abgas geht, wird jeder Prüforganisation und jedem Ministerialbeamten dann übel?
  11. Es ist eine Überarbeitung der ­momentan geltenden Abgasvorschriften notwendig und in Sicht (Stichworte Abgas­skandal, PEMS und Verbrauchswerte), was uns keine Planungssicherheit bei der Erstellung der R 115 gibt. Erschwerend kommt hinzu, dass die Kosten für die Erstellung einer Typgenehmigung nach der deutschen Steuergesetzgebung gerade einmal steuerlich auf 10 Jahre ­abgeschrieben werden kann und derjenige somit hart ­bestraft wird, der eine Typ­genehmigung erstellt, die vermutlich ­keine zwei Jahre Bestand haben wird. Wäre es unter diesen Voraussetzungen nicht sinnvoller, man würde zunächst die Neugestaltung der emissionsrechtlichen Fragen innerhalb der Automobilindustrie abwarten, bevor man zwanghaft die R 115 umsetzt?
  12. Wieso muss der Genehmigungs­inhaber dann doch noch Geld in die Hand nehmen, um Einzelabgasbestätigungen für Euro 1, Euro 2, D3, D4 oder evtl. Euro 3 u. D4 beim technischen Dienst zu kaufen, trotz Typgenehmigung der Gasanlage für höherwertige Abgasnormen? Ihnen ist auch bekannt, dass es faktisch keinen Unterschied in der Abgasprüfung für ­Autogasanlagen zwischen Euro 5 zu Euro 6 (Vorkammereinspritzer) gibt!
  13. Wie sieht die rechtssichere Verwendung von Abgasprüfungen hier aus, obwohl Ihnen bekannt ist, dass kein Unterschied bei den beiden Abgasnormen in Hinsicht auf Grenzwerte existiert? Brauchen wir noch Ausnahmegenehmigungen für Euro 6 WLTP bei einer vorliegenden Euro 6 ECE R 115 Typgenehmigung?  
    Die Verfahrensweise mit R 115 ist in unseren Augen generell mangelhaft, weil
    – Unfälle, die in der Vergangenheit stattfanden, überwiegend mit typgenehmigten Fahrzeugen gemäß R 115 (Erdgas VW Gasanlage) verursacht wurden. Da zeigt sich die Qualität der R 115, deshalb bedarf diese Regelung einer grundsätzlichen Überarbeitung, bevor man auf nationaler Basis äußerst kostenintensiv auf ein international brüchiges Fundament aufbaut. 
    – Mangelhafte R 115- bzw. Typ II-Homologationen bei Ausführungen der OEM-Hersteller (Dacia, Opel und VW) durch fehlende Handbücher und Gassystemaufkleber sind seit Jahren bekannt, trotzdem erhalten die Fahrzeuge im Markt eine GWP zum Untersuchungstermin. Gibt es hier einen OEM-Bonus? Beispiel: Beim Dacia Dokker ist das Handabsperrventil am Tank nicht ohne Werkzeug frei zugängig (nicht zulässig in der R 115). Tank­nummern sind durch die verschraubte Ab­deckung nicht lesbar. Diese Fahrzeuge waren tausendfach bei den Prüforganisationen, bemängelt wurde das nicht.
    – Eine R 115 ist für wenig Geld z. B. in Ungarn käuflich zu erwerben – hier kann keine CoP durchgeführt werden, weil keine Weisungsrechte durch das KBA bestehen. Als Beispiel dient das Unternehmen Ökotec. Wie verfahren Sie bei diesen, seit über 10 Jahren bestehenden Missständen im Bereich Erteilung von Typgenehmigungen? 
    – Seit Jahren bestehen sogenannte „Fake R 115“ (E20 115R 00001), z. B. Solaris, Auto­gas Italia. In dieser Typgenehmigung sind nur Steuergerät, Injektoren und Verdampfer aufgeführt, keine Schläuche, Leitungen, Tanks oder Multiventile. Die Einbauteile lassen einen großen Freiraum in der Interpretation. Wie verfahren Sie bei diesen seit über 10 Jahren bestehenden Missständen bei Inkrafttreten bzw. der Umsetzung? 
 
Fazit:

Fragen über Fragen – aber keine Antworten. Wenn Prüforganisationen ebenso versagen wie der Bund-Länder-Fachausschuss "Technisches Kraftfahrwesen", wird es Zeit, die Angelegenheiten an höherer Stelle zu regeln. Vielleicht befindet sich dort ja entsprechende Kompetenz. Wie sagte der Ex-Mercedes-Motorsportchef Norbert Haug doch unlängst auf ­einer Veranstaltung zum Thema Kraftstoffe? „Ich lasse mir Physik auch nicht vom Biologielehrer erklären!“ Warum müssen dann branchenfremde „Experten“ über Autogasantriebe entscheiden?

Wolfgang Kröger

 

 

 

 


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