DME: Der Stoff, aus dem die Träume sind
Dimethylether (DME) – so heißt der nicht mehr so ganz neue Stoff, aus dem jetzt die Träume der Flüssiggasbranche sind. Es handelt sich um ein flüssiges Gas, ähnlich wie Propan und Butan, das sich aus erneuerbaren Rohstoffen wirtschaftlich herstellen lässt. Noch wichtiger aber: DME senkt in Kombination mit LPG den CO2-Ausstoß drastisch (WTW), vermischt sich bestens mit herkömmlichem Flüssiggas, kann die bestehende LPG-Infrastruktur sowohl von Tankstellen als auch den Flüssiggas-Logistikketten nutzen und erfüllt sowohl als Kraftstoff als auch als Brennstoff seinen Zweck. Es lässt sich ebenso als emissionsarmer Reinkraftstoff in Dieselmotoren verwenden sowie mit Diesel und Autogas mischen, wie erste Versuche zeigen. Bekanntschaft mit dem Tausendsassa unter den Energieträgern dürfte jeder schon einmal gemacht haben, nämlich in Form von Treibgas in Sprayflaschen – ganz gleich, ob für Haarspray, Deo oder Sahne.
Wer sich mit der DME-Technologie noch nicht näher beschäftigt hat, sollte das idealerweise schnellstens nachholen, denn wie in der Fachpresse zu vernehmen ist, plant ein Firmenkonsortium rund um den Marktführer SHV Energie und UGI International, eine Tochtergesellschaft der UGI Corporation, in den nächsten fünf Jahren eine milliardenschwere Investition in bis zu sechs Produktionsstätten in Großbritannien und den USA, wobei mit dem Bau zumindest in Großbritannien bereits in diesem Jahr begonnen werden soll. Als Partner in den USA wird Oberon Fuels mit Sitz in San Diego fungieren.
SHV Energy will grünes LPG
Die Würfel sind also längst gefallen. „Flüssiges Gas ist eine wichtige, saubere und effiziente Energiequelle, die von Millionen von Menschen auf der ganzen Welt in über 1000 verschiedenen Anwendungen genutzt wird“, sagt Bram Gräber, CEO von SHV Energy gegenüber dem Branchenmagazin LPGas. „Die Suche nach zugänglichen, nachhaltigen und erschwinglichen Rohstoffen zur Herstellung alternativer flüssiger erneuerbarer Gase hat für die LPG-Industrie eine hohe Priorität. Wir sind davon überzeugt, dass erneuerbares DME alle Anforderungen erfüllt, um ein Wendepunkt für unsere Branche zu sein. Wir freuen uns, mit UGI zusammenzuarbeiten, um die LPG-Industrie in diesem wichtigen Übergang zu führen. Wir sind bereit, die Verantwortung zu übernehmen, erneuerbares DME zum Erfolg zu führen, was der gesamten Branche und ihren Kunden zugutekommen wird.“
DME als Dieselersatz
Der Frage, ob sich synthetische Kraftstoffe auch als Dieselersatz eignen, ging auch die Forschungsvereinigung Verbrennungskraftmaschinen, kurz FVV genannt, in einem vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Forschungsvorhaben nach. Dr. Werner Willems, seines Zeichens Spezialist im Ford Research und Innovation Center in Aachen, durfte als einer der Wissenschaftler der ersten Stunde dieses ehrgeizige Projekt begleiten, das bereits 2014 – zunächst relativ unbemerkt von der breiten Öffentlichkeit – startete.
DME-betriebener Ford-Diesel
Als Testobjekt diente ein Ford Mondeo Diesel, der übrigens auch noch heute als Erprobungsfahrzeug in der Region Aachen klaglos mit DME seinen Dienst verrichtet. Ganz ohne entsprechende Modifikationen ging es allerdings dann doch nicht: Wegen der höheren Aggressivität des Kraftstoffes gegenüber Kunststoffen mussten zunächst alle relevanten kraftstoffführenden Leitungen gegen resistente Leitungen getauscht werden. Um das Problem der Schmierung in den Griff zu kriegen – im Gegensatz zu Diesel B7 verfügt DME – ähnlich wie Autogas – über fast keine Schmierung –, wurde das vorhandene Einspritzsystem gegen ein ölgeschmiertes System von Denso getauscht. Außerdem mussten die Einspritzdüsen dem neuen Kraftstoff angepasst und der Raildruck auf maximal 1000 bar gesenkt werden. Herkömmliche Dieselmotoren weisen einen Einspritzdruck von 2000 bis 3000 bar auf. Wegen des niedrigeren Heizwertes von DME im Vergleich zu Diesel waren zusätzlich Einspritzdüsen mit einer größeren Öffnung nötig.
Bessere Verbrennungseigenschaften
So angepasst, lief der DME-Mondeo wie ein normaler Diesel und klang auch so, berichtet Dr. Werner Willems. Die erhofften Emissionsvorteile bestätigten sich letztlich auch in der Praxis – sogar bei Volllast, wie Messungen belegten. Einen wichtigen Vorteil konnten die Motorenexperten feststellen: DME sorgt durch seine klare Separation zwischen Einspritzung und Verbrennung dafür, dass im Brennraum lokale Zonen mit einer fetteren Gemischbildung gar nicht erst entstehen. Außerdem weist der Kraftstoff einen deutlich höheren Sauerstoffgehalt auf, was letztlich zu einer besseren Verbrennung führt.
Erste DME-Tankstelle in Deutschland
Einen Haken hat die Sache allerdings: DME, insbesondere erneuerbares DME, ist derzeit noch an keiner öffentlichen Tankstelle verfügbar. Primagas, die deutsche Tochter der SHV Energie, half aus und errichtete auf dem Prüfgelände die quasi erste DME-Tankstelle in Deutschland.
Beim Tanksystem des Mondeo handelt es sich um Komponenten aus dem Regal von Prins in Eindhoven, die auch für die reguläre Autogas-Nachrüstung Verwendung finden, allerdings mit ebenfalls modifiziertem Dichtungsmaterial. Mit einer Füllung des im Fahrzeug installierten Autogas-Tanks legt der Mondeo je nach Fahrprofil zwischen 500 und 600 km zurück.
Notfalls auch mit Diesel
Wenn die ersten Fahrzeuge demnächst mit Dimethylether unterwegs sein werden, darf man jedoch davon ausgehen, dass das Tankstellennetz – hier können die Autogastankstellen weiterhin verwendet werden – noch nicht flächendeckend zur Verfügung steht. Auch daran hat man bei Ford gedacht: Im sogenannten Notlauf lässt sich eine kleinere Strecke von bis zu 80 km auch mit herkömmlichem Dieselkraftstoff B7 absolvieren. Mit einer dem veränderten Kraftstoff angepassten Applikation, die für solche Fälle im Steuergerät hinterlegt wurde, ist es gelungen, bei dem mit DME betriebenen Dieselmotor das eigentlich erwartete Rußen zu verhindern.
DME/Diesel-Mischbetrieb
Interessant erscheint aber auch eine Mischung aus DME plus Diesel, analog zur Mischung Autogas plus Diesel. Hier könnte man die bessere Schmierfähigkeit des Dieselkraftstoffs mit den guten Verbrennungseigenschaften des DME gezielt einsetzen und würde sich den Austausch des Diesel-Einspritzsystems sparen.
Auch Lkw mit DME/Diesel
Die Idee, auch Lkw mit DME oder im DME-Mischbetrieb nachhaltig anzutreiben, stammt vom umtriebigen, wohl ewig jungen Tüftler Alfred Luhmann. Das „Flüssiggas-Urgestein“ hat bereits einen Lkw auf ein Autogas/ Diesel- bzw. DME/Diesel-Kraftstoffgemisch umgebaut. Da man damit bisher beste Erfahrungen sammeln konnte, wird die Luhmann-Idee nun von der Automobilindustrie aufgegriffen und für ein neues Forschungsprojekt mit DME, Dieselkraftstoff und ggf. Autogas eingesetzt.
Würden die Forschungsergebnisse die erwarteten Emissionsvorteile bestätigen, ließe sich über eine DME-Beimischung zum Diesel, Biodiesel, HVO oder herkömmlichem B7-Diesel eine neue Kraftstoffgeneration kreieren, die sowohl hinsichtlich der Verbrennungseigenschaften als auch durch den Einsatz nachhaltiger Kraftstoffe in der Vorkette der Kraftstoffproduktion erhebliche Vorteile bietet.
Energiesteuer muss noch angepasst werden
Dem steht in der Praxis allerdings der § 2 Abs. 2 Nr. 2 des Energiesteuergesetzes entgegen. Da heißt es nach Sichtweise des zuständigen Hauptzollamts: „Werden nach § 2 Abs. 2 Nr. 2 EnergieStG versteuerte Flüssiggase (Flüssiggase unvermischt mit anderen Energieerzeugnissen) nicht unvermischt mit anderen Energieerzeugnissen abgegeben oder verwendet, entsteht die Steuer in Höhe der Differenz zu dem Steuersatz des § 2 Abs. 1 Nr. 8 Buchstabe b EnergieStG (1217,00 Euro pro 1000 kg).“ Demnach käme es zu einer sog. Differenzversteuerung gemäß § 20 Abs. 2 EnergieStG.
Übersetzt bedeutet das Amtsdeutsch: Mischt man versteuertes Flüssiggas und bereits versteuertes DME, muss man das Gemisch abermals energieversteuern bzw. eine doppelte Versteuerung akzeptieren. Diese Regelung – und da sind sich der Gesetzgeber und die Juristen einig – stammt offensichtlich noch aus einer der ersten Fassungen des Energiesteuergesetzes von 1939 und wurde, weil bisher kein Bedarf bestand, auch nicht geändert.
Hier sollte seitens des Gesetzgebers dringend Abhilfe geschaffen werden, auch im Sinne des Umweltschutzes.
Weniger Feinstaub
Dr. Werner Willems sieht insbesondere in erneuerbarem DME einen derzeit noch weitgehend unterschätzten Kraftstoff: „DME ist der ideale Verbrennungskraftstoff, hat fast die gleichen Verbrennungseigenschaften wie Diesel, ist zwar ein Flüssiggas, aber verbrennt dennoch komplett rußfrei.“ Derzeit prüft man auch noch die Möglichkeit, DME dem Diesel direkt im Fahrzeug beizumischen, ähnlich wie bei einer Autogaslösung für Ottomotoren. 20 % nachhaltiges DME wären somit als Blend möglich.
Bis zu 10 % weniger CO2 am Auspuff
Eines ist aber Dr. Willems klar: „Wenn wir einen neuen Kraftstoff auf den Markt bringen wollen, muss der bereits Euro-7-tauglich sein.“ Und daran forscht man derzeit noch. Bei gleichem Energieeinsatz ließen sich am Auspuff 8 % bis 10 % CO2 einsparen, wenn auch das Steuergerät auf den Kraftstoff optimiert ist.
Außerdem würde die Anzahl der Regenerationsintervalle deutlich verringert, was letztlich der fast rußfreien Verbrennung geschuldet ist. Einbezogen in diese Rechnung sind noch nicht die Vorteile aus der nachhaltigen Vorkette.
Weitere Biokomponente ins Autogas
Dabei liegt der Fokus der Forschung aber nicht nur auf Dimethylether als Reinkraftstoff, auch DME/Diesel-Gemische und LPG/DME-Gemische werden hinsichtlich ihrer Anwendbarkeit in Übereinstimmung mit den Emissionsvorschriften untersucht. Laut Dr. Willems sind LPG/DME-Gemische so auch in Ottomotoren verwendbar – unter anderem, weil sich beide Gase zu verlässig miteinander vermischen. Dies hätte dann den Vorteil, dass man statt des derzeit nur in relativ geringen Mengen verfügbaren Bio-LPGs mit dem in größeren Mengen verfügbaren erneuerbaren DME ohne größeren Aufwand eine Bio-Komponente ins Autogas bekommen könnte.
DME als Nebenprodukt der E-Fuel-Herstellung
Wie weit dieser Prozess schon fortgeschritten ist, sieht man daran, dass das Thema LPG/DME bereits in Normungskreisen innerhalb von CEN diskutiert wird. Das wird auch Zeit, denn bei der künftigen Herstellung von E-Fuels, wie bereits jetzt von Siemens und Porsche in der Anlage Haru Oni in Chile praktiziert, erfolgt eigentlich nichts anderes als die Umwandlung von Methanol-to-Gasoline, also die Herstellung synthetischen Ottokraftstoffs. Dabei fallen beispielsweise grünes DME und grünes Propan als Zwischen- bzw. Nebenprodukt an.
USA testet massiv grünes DME
Nach vielen Gesprächen mit Industrievertretern aus der Flüssiggasbranche hat Dr. Willems mittlerweile eine feste Meinung zum Thema DME: „Für den Heizungs- und Kochsektor wird nachhaltiges DME auf jeden Fall kommen. Die einzige Frage, die für mich persönlich noch nicht ganz geklärt ist, wird sein, ob es auch im Automotive-Sektor Einzug halten wird. Das ist für mich noch nicht gesetzt.“ Und damit bezieht er sich nicht nur auf Europa, sondern auch auf die USA. Dort lässt derzeit die Biden-Administration nachhaltige Kraftstoffe wissenschaftlich untersuchen. Erneuerbares DME ist dabei gerade ein ziemlich großes Thema, ebenso wie DME/LPG-Gemische.
Fazit
Der Bioanteil im Flüssiggas bzw. Autogas war längst überfällig, um den Energieträger auch zukünftig konkurrenzfähig zu halten. Begrüßenswert, dass die Branche zwar spät, aber nicht zu spät aufgewacht ist. Die Mengen an BioLPG, die aus der Neste-Raffinerie in Rotterdam separiert werden, sind nicht mehr als der berühmte Tropfen auf den heißen Stein. Mit der künftigen E-Fuels-Produktion und den Investitionen von SHV Energie in erneuerbares DME könnte sich Dimethylether letztlich zum Gamechanger für die Branche mausern.
Text: Wolfgang Kröger