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Das neue EU ETS 2: Bepreisung von Emissionen in Gebäuden und im Straßenverkehr


Das Emissionshandelssystem der Europäischen Union (EU ETS) bildet seit Einführung im Jahr 2005 einen Grundpfeiler der Klimastrategie der EU. Im Jahr 2024 startet das zusätzliche EU ETS 2 mit Verpflichtungen für Unternehmen und deckt Emissionen aus Gebäuden, dem Straßenverkehr und weiteren Sektoren wie der Brennstoffnutzung in kleinen Industrieanlagen ab. Das EU ETS 2 verpflichtet Brennstofflieferanten zur Überwachung und jährlichen Meldung der Emissionen der in Verkehr gebrachten Brennstoffe. Ab 2027 müssen die verantwortlichen Unternehmen Emissionszertifikate in Höhe der Emissionen in den von ihnen verkauften Brennstoffen erwerben und abgeben.

 

(Bild: carboneer)

Abb. 1: Zeitplan der Compliance-Verpflichtungen im EU ETS 2 – Quelle: carboneer (Bild: carboneer)

Abb. 2: Szenario für das Angebot an ausgegeben Zertifikaten im EU ETS 2 – Quelle: carboneer (Bild: carboneer)

Abb. 3: Prognostizierte Zertifikatspreise im EU ETS 2 im Jahr 2030. Datenquelle: UBA, 2024 – Quelle: carboneer (Bild: carboneer)

Simon Göß ist Ingenieur, Experte für Energie- und Kohlenstoffmärkte und Geschäftsführer bei carboneer. Er leitet Beratungsprojekte und Studien und hat über 250 Workshops zu Energie- und Kohlenstoffmärkte, -handel und -politik durchgeführt – u. a. beim Forum Flüssiggas 2024 und beim European Liquid Gas Congress 2024. (Bild: carboneer)

Hendrik Schuldt ist Umweltökonom, Klimapolitikberater und Geschäftsführer bei carboneer. Zuvor war er am Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) tätig und leitet bis heute die gemeinnützige Klimaschutzorganisation Compensators. (Bild: carboneer)

carboneer ist ein Berliner Beratungsunternehmen mit Expertise in den Bereichen CO2-Märkte, CBAM, Dekarbonisierung und Klimaneutralität. Es begleitet Unternehmen, Dienstleister und Verbände dabei, diese vielseitigen Themen ganzheitlich in bestehende Prozesse zu integrieren.

 

Die wichtigsten Fakten zum EU ETS 2

Das EU ETS 2 wird parallel zum EU ETS 1 und zumindest bis Ende 2026 auch parallel zum bestehenden nationalen Emissionshandel nach dem Brennstoffemissionhandelsgesetz (BEHG) eingeführt. Das neue EU ETS 2 umfasst Emissionen, die bislang vom Geltungsbereich des EU ETS 1 ausgeschlossen waren, wie die Sektoren Gebäude und Straßenverkehr. Generell hat das EU ETS 2 einen geringeren Anwendungsbereich als der deutsche Emissionshandel nach BEHG. Jedoch hat Deutschland von der Möglichkeit Gebrauch gemacht, weitere Tätigkeiten in das EU ETS 2 zu integrieren, um eine Deckungsgleichheit zwischen derzeitigem nationalen Emissionshandel und dem neuen EU ETS 2 herzustellen. Eine Billigung dieser Ausweitung durch die Europäische Kommission steht noch aus (BMWK, 2024).

Das EU ETS 2 basiert auf einem Cap- and-Trade-System, bei dem eine jährlich sinkende Obergrenze für die Gesamtemissionen innerhalb der EU festgelegt wird. Eine entsprechende Anzahl von Zertifikaten wird an die verantwortlichen Unternehmen versteigert. Pro Tonne CO2-Emission, welche durch die Verbrennung der in Verkehr gebrachten Brennstoffe anfällt, muss ein Zertifikat abgegeben werden. Das EU ETS 2 zielt darauf ab, die Emissionen der abgedeckten Sektoren bis 2030 um 42 % im Vergleich zu 2005 zu reduzieren. Im Gegensatz zum EU ETS 1, das die Emissionen am Entstehungsort reguliert, liegt die Verpflichtung im EU ETS 2 Upstream, also beim Inverkehrbringer von Brennstoffen und nicht am Ort des Verbrauchs der Brennstoffe. Dies deckt sich mit dem in Deutschland existierenden nationalen Emissionhandel nach BEHG. Schätzungen der EU-Kommission zufolge werden EU-weit bis zu 11.400 Brennstofflieferanten, -verteiler und -händler durch das neue EU ETS 2 reguliert. Durch dessen Einführung werden nationale und EU-Verantwortlichkeiten, Emissionsminderungsziele und die Emissionsbepreisung innerhalb der EU harmonisiert.

Zur Bestimmung der Emissionen im Rahmen des EU ETS 2 muss auf Unternehmensebene ein umfassendes System zur Überwachung, Berichterstattung und Prüfung eingeführt werden. Um eine Doppelzählung zu vermeiden, sollten Emissionen aus der Brennstoffverbrennung, die bereits im EU ETS 1 erfasst wurden, nicht im EU ETS 2 gezählt werden. Dies erfordert, dass Brennstofflieferanten und deren Kunden in solchen Fällen Nachweise erbringen müssen.

In Deutschland wird der nationale Emissionshandel nach BEHG erst ab 2027 vollständig in das EU ETS 2 integriert. Dadurch besteht für die Jahre 2024 bis 2026 eine doppelte Berichterstattung der Emissionen in beiden Systemen.

 

Erste Compliance-Fristen im Jahr 2024

Für die Unternehmen, die dem EU ETS 2 unterliegen, sollten Vorbereitungsaktivitäten bereits laufen, da erste Fristen nahen. Der Zeitrahmen der Einführung des EU ETS 2 ist ambitioniert, wie Abb. 1 zeigt. Um die Emissionen gemäß den Regeln des EU ETS 2 zu überwachen, sollte bis zum 31. August 2024 ein Antrag zur Emissiongenehmigung und ein Überwachungsplan bei der zuständigen nationalen Behörde eingereicht werden.

Laut einem Entwurf einer Novelle des Treibhausgas- Emissionshandelsgesetzes (TEHG) des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vom 30. Juli 2024 wird die zuständige Behörde (Deutsche Emissionshandelsstelle) noch eine dreimonatige Frist zur Einreichung festsetzen und diese im Bundesanzeiger bekanntmachen (BMWK, 2024). Bis zum Ablauf dieser Frist gilt der nach BEHG bestehende Überwachungsplan als Emissionsgenehmigung und Überwachungsplan auch für das EU ETS 2. Die Emissionen für das Jahr 2024 müssen zum 30. April 2025 an die Behörde berichtet werden.

Der Erwerb und die Abgabe von Zertifikaten im Rahmen des EU ETS 2 ist erst ab 2027 erforderlich. Ab 2027 werden Zertifikate im Rahmen des EU ETS 2 versteigert. Eine Zuteilung kostenloser Zertifikate, wie sie zu Beginn des EU ETS 1 und derzeit noch für einige Zweige der EU-Industrie angewendet wird, existiert nicht. Um das Angebot an Zertifikaten zu regulieren und anfänglich auch Preisstabilität zu gewährleisten, werden eine Marktstabilitätsreserve sowie verschiedene Preisstabilitätsmechanismen eingeführt. Die Zertifikatsobergrenze (Cap) im Jahr 2027 wird durch eine jährliche Reduktion von 5,1 % gegenüber dem Emissionsniveau von 2024 bestimmt. Ab 2025 wird dieser lineare Reduktionsfaktor auf 5,38 % erhöht. Dies bedeutet, dass das Gesamtangebot an Zertifikaten im Jahr 2027 etwa 1,25 Mrd. betragen und bis 2030 auf unter 800 Mio. sinken wird.

Abb. 2 zeigt eine Szenario für die versteigerten Zertifikatsmengen im Einklang mit den langfristigen sektoralen Klimazielen der EU.

 

Herausforderungen und Komplexität

Das EU ETS 2 stellt Unternehmen vor erhebliche Herausforderungen, da sie umfassende Emissionsüberwachungspläne entwickeln müssen, die ihre Aktivitäten, Brennstoffarten und Emissionsberechnungsmethoden detailliert darstellen. Insbesondere die Berechnung der Emissionen ist komplex. Zunächst muss ein Scope-Faktor festgelegt werden, um den Anteil der Brennstoffverkäufe eines Unternehmens zu bestimmen, der unter die regulierten Tätigkeiten wie Brennstoffemissionen aus Gebäuden oder dem Straßenverkehr fällt. Der Scope-Faktor reicht von 0 (kein Brennstoff wird an betroffene Sektoren verkauft) bis 1 (alle verkauften Brennstoffe fallen in den Anwendungsbereich). Dies stellt sicher, dass nur relevante Emissionen berücksichtigt werden. Mithilfe des korrekten Emissionsfaktors für verschiedene Brennstoffe sowie der Brennstoffmenge werden dann die gesamten CO2-Emissionen pro Brennstoff berechnet.

Um die Datenqualität sicherzustellen, folgt die Überwachung der Emissionen einem System mit unterschiedlichen Ebenen, welches die Datengenauigkeit von Ebene 1 (am wenigsten genau) bis Ebene 4 (am genauesten) kategorisiert. Höhere Ebenen müssen von Unternehmen mit größeren Brennstoffströmen und damit höheren Emissionen verwendet werden und erfordern präzisere Datenerhebung. Emissionen aus Biomassebrennstoffen können mit null bewertet werden, wenn die Biomasse die Kriterien der Erneuerbare- Energien-Richtlinie erfüllt.

Für Emissionsberichte ab dem Berichtsjahr 2025 ist eine Prüfung durch unabhängige akkreditierte Stellen verpflichtend. Die Einführung der Bepreisung im Rahmen des EU ETS 2 kann zu erheblichen Kostensteigerungen führen, was sowohl Betriebskosten als auch Verbraucherpreise beeinflussen wird. Abb. 3 zeigt Preisprognosen für die Zertifikate im EU ETS 2 . Da die Preise durch Angebot und Nachfrage bestimmt werden, können die Preise für die Zertifikate ab 2027 erheblich schwanken. Die Prognosen reichen von 50 € bis 340 € pro Tonne CO2 bis 2030. Unternehmen sollten Kostenrisiken durch maßgeschneiderte Beschaffungsstrategien für EU ETS 2- Zertifikate steuern.

 

Klima-Sozialfonds

Der Klima-Sozialfonds spielt eine entscheidende Rolle bei der Abmilderung der finanziellen Auswirkungen auf gefährdete Verbraucher in der EU. Ziel ist es, gefährdete Haushalte und Kleinstunternehmen zu unterstützen, die vom Übergang zu einer CO2-armen Wirtschaft finanziell betroffen sind. Der Klima-Sozialfonds wird aus Einnahmen der Versteigerung von Zertifikaten finanziert und bietet finanzielle Unterstützung für Maßnahmen, die Emissionen und Energiekosten senken. Im Zeitraum zwischen 2026 und 2032 sind dabei Mittel in Höhe von 86,7 Mrd. € vorgesehen. Ein Beispiel für die Verwendung der Mittel sind Zuschüsse zur Verbesserung der Energieeffizienz von Wohngebäuden, wie z. B. Isolierung und Installation effizienterer Heizsysteme. Dieser doppelte Fokus auf Haushalte und Unternehmen soll die soziale Gerechtigkeit und wirtschaftliche Widerstandsfähigkeit fördern und trägt dazu bei, einige der finanziellen Belastungen und betrieblichen Herausforderungen des EU ETS 2 abzufedern.

 

Strategie zur Umsetzung von Verpflichtungen im EU ETS 2

Aufgrund der Komplexität des EU ETS 2 und des ambitionierten Zeitplans ist eine solide Strategie zur Umsetzung der Verpflichtungen unerlässlich. Wie können sich Unternehmen also vorbereiten?

Emissionüberwachung und Compliance-Zyklus:

  • Entwicklung umfassender Überwachungspläne, die alle relevanten Aktivitäten, Brennstoffarten und Emissionsberechnungsmethoden abdecken
  • Überwachungspläne müssen von den nationalen Behörden genehmigt werden
  • Prüfung der Emissionen Compliance-Verpflichtungen:
  • Detailliertes Verständnis des EU ETS 2 und der damit verbundenen Vorschriften
  • Aufbau von Kapazitäten, Zuweisung von Verantwortlichkeiten, interne und externe Kommunikation
  • Zugang zu Registern und Zertifikaten des EU ETS 2

Finanzielle Auswirkungen:

  • Bewertung der EU ETS 2 Exposition und Kostenprognosen
  • Implementierung von Strategien zur Kostensteuerung und zur Weitergabe von Kosten an Verbraucher
  • Risikomanagement, Hedging und Strategien zur Zertifikatsbeschaffung zur Reduzierung der finanziellen Unsicherheiten
Fazit

Das EU ETS 2 ist ein wichtiges Instrument der Europäischen Union zur Reduktion von Treibhausgasemissionen in Sektoren wie Gebäude und Straßenverkehr über ein neues Cap-and-Trade-System für Brennstoffe. Der neue Emissionshandel zielt darauf ab, die Emissionen in der betroffenen Sektoren bis 2030 um 42 % im Vergleich zu 2005 zu senken. Das System bringt komplexe Verpflichtungen für Unternehmen mit sich und erfordert vorausschauende Planung und Entwicklung einer Compliance-Strategie zur Einhaltung der Überwachungs-, Berichts- und Prüfungssprozesse schon ab dem Jahr 2024. Angesichts der voraussichtlich hohen Zertifikatspreise können die finanziellen Auswirkungen erheblich sein. Robuste Risikomanagement- und Absicherungsstrategien sind daher nötig. Unternehmen sollten jetzt handeln, um die neuen Vorschriften zu verstehen und die Einhaltung aller rechtlichen Pflichten sowie die eigene Wettbewerbsfähigkeit zu gewährleisten.

Quellen:

BMWK, 2024, TEHG-Novelle, URL: www.bmwk.de/Redaktion/DE/Artikel/Service/Gesetzesvorhaben/20240730-entwurf-anpassung-treibhausgasemissionshandelsgesetz.html

UBA, 2024, Supply and Demand in the ETS 2, URL: www.umweltbundesamt.de/publikationen/supply-demand-in-the-ets-2

 

Autoren:

Simon Göß (Geschäftsführer carboneer), Florian Schlennert (Junior Consultant carboneer), Hendrik Schuldt (Geschäftsführer carboneer).

www.carboneer.earth

 


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