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EU will europäisches Verkehrssystem umgestalten


Die EU-Kommission will die CO2-Emissionen im Verkehrssektor bis zum Jahr 2050 um 60 % reduzieren. Das ist die zentrale Aussage des langerwarteten Weißbuches „Verkehr 2050“, das EU Verkehrskommissar Siim Kallas kürzlich vorgelegt hat. Bis 2050 könnte der Verkehr in Europa ohne Öl auskommen, das bestätigt auch eine von der EU-Kommission in Auftrag gegebene Studie. Als Voraussetzung heißt es in dem Sachverständigenbericht, dass Regierungen und Unternehmen ausreichend in alternative Kraftstoffe investieren. Eine Kombination aus Strom und Biokraftstoffen könne den Bedarf von Autos, Bahnen und Bussen in Zukunft decken. Dazu müssten synthetische Kraftstoffe, Methan und Flüssiggas genutzt werden.

 

 

Die Ölvorräte seien voraussichtlich 2050 erschöpft, steht in dem Gutachten zu lesen, der Ersatz durch Elektroantrieb, Wasserstoff und Biokraftstoffe müsse so schnell wie möglich beginnen. Zu der Expertengruppe gehören unter anderem Lobbygruppen wie der europäische Branchenverband der Autoindustrie (ACEA), die Europäische Mineralölindustrie sowie die Umweltverbände Greenpeace und WWF.

Seien, müsse, werde – bislang sprachen wir im Konjunktiv. Schon seit längerem versucht die EU, von Ölimporten unabhängiger zu werden. Technisch wäre es dem Sachverständigenbericht zufolge möglich, ölbasierte Kraftstoffe in allen Verkehrsträgern durch Bio- und synthetische Kraftstoffe zu ersetzen. Diese passten bereits zu den heutigen Motoren und könnten über die bestehende Infrastruktur getankt werden. Eingeräumt werden allerdings Probleme zum Beispiel bei der Herstellung. Mit Blick auf die Erzeugung von Biokraftstoffen wird auf die Problematik mit der Landnutzung verwiesen, besonders auf die Konkurrenz zur Herstellung von Lebensmitteln. Und bei synthetischen Kraftstoffen zum Ersatz von Diesel und Kerosin ist laut Studie die CO2-Bilanz noch verbesserungswürdig. Die EU-Experten setzen deswegen auf einen Mix mit weiteren Energieträgern, nämlich Strom, Flüssiggas und Methan. Für jedes Verkehrsmittel regen sie andere Lösungen an, die wiederum von der zurückzulegenden Entfernung abhängen. So favorisiert die Studie beispielsweise für Kurzstrecken mit dem Auto Strom und für lange Distanzen unter anderem Flüssiggas; Flugzeuge sollten von aus Biomasse hergestelltem Kerosin angetrieben werden.

Die EU-Kommission will im laufenden Jahr eine „Initiative für umweltfreundliche Verkehrssysteme“ einleiten und dabei die Studie berücksichtigen. Der Verkehr ist neben dem Bausektor eines der Felder, auf dem die Kommission für die kommenden Jahre die größten Potenziale für mehr Energieeffizienz sieht.

Weißbuch „Verkehr 2050“ vorgestellt

Eine differenzierte Strategie, um die Verkehrsträger auf alternative Antriebe umzustellen, enthält das kürzlich von der EU-Kommission präsentierte Weißbuch „Verkehr 2050“. Dazu der für Verkehr zuständige Vizepräsident Siim Kallas: „Verkehr 2050 ist ein Fahrplan zu einem wettbewerbsfähigen Verkehrssektor, der mehr Mobilität ermöglicht und Emissionen mindert. Wir können und müssen beides leisten. Die weit verbreitete Annahme, dass zur Bekämpfung des Klimawandels die Mobilität eingeschränkt werden muss, ist einfach nicht wahr. Wettbewerbsfähige Verkehrssysteme sind entscheidend für Europas weltweite Konkurrenzfähigkeit, für Wirtschaftswachstum, die Schaffung von Arbeitsplätzen und die Lebensqualität der Bürger. Die Einschränkung der Mobilität ist keine Option, ebenso wenig wie alles beim Alten zu belassen. Wir können die Abhängigkeit des Verkehrssystems vom Öl aufheben, ohne seine Effizienz zu opfern und die Mobilität einzuschränken, so dass sich rundherum nur Vorteile ergeben.“

Das Weißbuch „Verkehr 2050“ skizziert in 40 konkreten Maßnahmevorschlägen, wie Mobilitätssteigerung und Emissionsminderung auf einen Nenner gebracht werden können. Die „umfassende Strategie für ein wettbewerbsfähiges Verkehrssystem“ zielt darauf ab „wesentliche Hindernisse in Schlüsselbereichen zu beseitigen und zu mehr Wachstum und Beschäftigung zu führen“. Die vorgeschlagenen Maßnahmen sollen Europas Abhängigkeit von den Öleinfuhren verringern und die verkehrsbedingten CO2-Emissionen senken – bis 2050 um 60 %.

Die Maßnahmen im Einzelnen

Ein ehrgeiziges Ziel, denn es erfordert nichts weniger als die vollständige Umgestaltung des gegenwärtigen Verkehrssystems – in Europa. Mit dem Verkehr-2050-Fahrplan zu einem einheitlichen europäischen Verkehrsraum sollen Engpässe in vielen Schlüsselbereichen, darunter Verkehrsinfrastruktur und Investitionen, Innovation und Binnenmarkt, ausgeräumt werden. Denn: erst ein vollständig integriertes Verkehrsnetz, das die verschiedenen Verkehrsträger optimal miteinander verknüpft, ermöglicht die grundlegenden Veränderungen der Personen- und Güterverkehrsmuster. Für die verschiedenen Beförderungsarten – innerstädtisch, zwischen Städten und auf Fernstrecken – steckt der Verkehr-2050-Fahrplan unterschiedliche Ziele.

Innerstädtisch wird es eine drastische Verschiebung hin zu umweltfreundlicheren Pkw und Kraftstoffen geben: bis 2030 soll der Personenverkehr von mit konventionellem Kraftstoff betriebenen Pkw halbiert und bis 2050 auf Null gebracht werden; die Beförderung von Gütern soll bis 2030 in größeren städtischen Zentren im wesentlichen CO2-frei erfolgen.

Zwischen den Städten sollen 50 % des Personen- und Güterverkehrs über mittlere Entfernungen (300 km und mehr) von der Straße auf Eisenbahn und Schiffe verlagert werden. Bis 2050 soll der Großteil der Personenbeförderung über mittlere Entfernungen auf die Eisenbahn entfallen. Bis 2030 sollen 30 % des Straßengüterverkehrs über 300 km auf andere Verkehrsträger wie Eisenbahn- oder Schiffsverkehr verlagert werden, bis 2050 mehr als 50 %.

Dazu wird bis 2030 der Aufbau eines voll funktionsfähigen EU-weiten Kernnetzes von Verkehrs­korridoren mit Einrichtungen für einen effizienten Verkehrsträgerwechsel (TEN-V-Kernnetz) angestrebt, das bis 2050 zu einem Netz von hoher Qualität und Kapazität mit einer Reihe von entsprechenden Informationsdiensten ausgebaut werden soll: So sollen bis 2050 alle Flughäfen des Kernnetzes an das Schienennetz, vorzugsweise das Hochgeschwindigkeitsnetz, angebunden sein; ebenso die Seehäfen des Kernnetzes an das Schienengüterverkehrsnetz und, wo möglich, an das Binnenwasserstraßensystem.

Der Personenfernverkehr und interkontinentale Güterverkehr werden weiterhin überwiegend per Flugzeug und Schiff stattfinden. Neue Antriebe, Kraftstoffe und Verkehrsmanagementsysteme sollen hier zu mehr Effizienz und weniger Emissionen führen: Der Anteil CO2-emissionsarmer Flugkraftstoffe soll 2050 40 % betragen. Des Weiteren wird bis 2020 eine grundlegende Modernisierung des europäischen Flugverkehrsmanagementsystems angepeilt, das auf einen einheitlichen europäischen Luftraum abzielt. Beides zusammen soll für kürzere und sicherere Flug­reisen bei gleichzeitig erhöhter Kapazität führen.

 


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